Offener Brief an den sächsischen Innenminister von Anmeldern und Versammlungsleitern. #le0306

Sehr geehrter Herr Innenminister Schuster,

mit Interesse haben wir ihre Ausführungen in der Fernsehsendung von Fakt ist! verfolgt. Als anmeldender Verein und Versammlungsleitung wollen wir uns gern zu Wort melden, insbesondere dann, wenn eine öffentliche Debatte geführt wird, Sie uns öffentlich Schuld zuweisen, aber gar nicht den Versuch unternehmen, mit uns zu sprechen. Im Gegensatz zu Ihnen waren wir vor Ort und können daher eher Angaben zur Situation machen.

Wir verstehen, dass es ihre Aufgabe als Innenminister ist, sich auch schützend vor die Polizei zu stellen. Allerdings ist es auch die Aufgabe des Innenministers, zumindest soweit wir das Grundgesetz verstehen, die Grundrechte zu schützen und die Prinzipien des Rechtsstaates zu wahren. Dass angesichts der doch erheblichen Zweifel an einem rechtsstaatlichen Vorgehen kein Wort dazu erfolgt und Sie sich auf Aussagen versteifen, von denen sie selber wissen, dass diese nicht haltbar sein dürften, muss verwundern.

Sie haben aus dem Kooperationsgespräch zitiert bzw. vermeintliche Inhalte davon wiedergegeben. Wir halten fest, dass Sie an diesem Kooperationsgespräch nicht teilgenommen haben und müssen auch die von Ihnen getroffenen Aussagen dazu deutlich zurückweisen. Wir möchten Sie deutlich fragen, wie Sie zu solchen falschen und mithin ehrverletzenden Aussagen kommen, die einzig und allein dem Versuch dienen, die Schuldfrage auf die Versammlungsleitung und die Anmeldenden abzuwälzen.

Sie haben keine Ausführungen dazu getroffen, dass sich unter den vermummten Versammlungsteilnehmenden auch Polizeibeamtinnen befanden und dies im Widerspruch zu § 11 SächsVersG, denn eine Anzeige erfolgte nicht. Wir wollen nicht mutmaßen, warum sich die eingesetzten Zivilbeamtinnen nicht der Versammlungsleitung zu erkennen gegeben haben und würden uns freuen, wenn Sie uns diese Frage beantworten könnten.

Ferner haben Sie ausgeführt, dass bislang keine Anzeigen bei der Polizei gegen die polizeilichen Maßnahmen eingegangen seien. Diese Aussage ist nachweislich falsch. Der Vater des durch Polizeibeamte verletzten 16-Jährigen war am vergangenen Dienstag bei der Polizei und hat eine Anzeige dazu aufgegeben.

Sie haben ausgeführt, dass Unbeteiligte jederzeit hätten gehen können unter Vorzeigen des Ausweises. Diese Aussage ist durch die Realität nicht belegt. Wollen Sie ernsthaft behaupten, dass bei 1040 Identitätsfeststellungen es sich alles um Tatverdächtige handelt? Allein die Bilder der Umschließung machen deutlich, dass eine Differenzierung durch die Polizeibeamt*innen nicht möglich war.

Sie haben ausgeführt, dass die Umschließung verhältnismäßig war und damit das mildeste Mittel, um die Innenstadt zu schützen. Verhältnismäßig ist es dann, wenn es geeignet, erforderlich und angemessen ist, sowie gleichsam kein milderes Mittel zur Verfügung steht. Sie werden sicherlich Ausführungen haben, warum der alternative Streckenverlauf, der die Innenstadt nicht tangiert hätte, nicht milder gewesen wäre, und zwar zu einem Zeitpunkt, als bis auf Vermummungen noch kein Auflagenverstoß begangen wurde.

Da Sie gern auf den Hamburger Einsatz bei G20 in 2017 verweisen, ist Ihnen sicherlich auch die Rechtsprechung dazu nicht entgangen, die deutlich festgestellt hat, dass das Festhalten der „Welcome to hell“-Demo nicht verhältnismäßig war, insbesondere deswegen, weil die Vermummung von einzelnen Teilnehmenden einer angemeldeten Versammlung eine Komplettauflösung nicht rechtfertigt. Dürfen wir fragen, ob Sie sich Recht und Gesetz verpflichtet fühlen oder ihrer eigenen politischen Agenda?

Sie haben keine Aussage getroffen zu dem Umgang mit minderjährigen Personen im Kessel. Warum wurden die Eltern nicht informiert? Warum wurden einzelne dieser Personen, obwohl die Eltern vor Ort waren, zunächst mitgenommen in die Dimitroff-Wache, unter der Behauptung, der Haftrichter müsse das entscheiden? Können Sie eine mögliche Kindeswohlgefährdung dadurch rechtfertigen, indem Sie wie einige andere behaupten, dass die Jugendlichen und andere Teilnehmer*innen der Versammlung selber schuld seien, wenn sie ihr Versammlungsgrundrecht ausüben?
Sie haben behauptet, dass ein Sanitärwagen und Wasser zur Verfügung gestanden hätte. Wir bestreiten das nicht. Wir bestreiten nur, dass dies alle wussten oder alle die Möglichkeit hatten, diesen zu nutzen.

Sie scheinen ernsthaft zu glauben, dass es für die Umschlossenen angenehmer war in aller Öffentlichkeit in einem Busch zu urinieren, der von der Polizei ausgeleuchtet wird. Ist das ihre Vorstellung? Glauben Sie ernsthaft, dass sich Menschen freiwillig dazu entblößen?
Es gibt mehrere Berichte von Pressevertreterinnen und Demosanitäterinnen, die die Berichte der Umschlossenen bestätigen. Von Ihnen hören wir indes kein Wort der Selbstkritik.
Sie rechtfertigen einen Polizeieinsatz, dessen Rechtmäßigkeit erheblich im Zweifel steht und der angesichts eines Festhaltens von bis zu 11 Stunden kaum rechtsstaatlichen Grundsätzen entsprochen hat.

Sie haben ausgeführt, dass sie das Rechtsgut von Stadtfest, Konzert und Co. höher gewichten als die Versammlungsfreiheit. Den Grundsatz der praktischen Konkordanz, dass Grundrechte so in Ausgleich zu bringen sind, dass diese ihre größtmögliche Reichweite entfalten, kennen Sie offenbar nicht. Auch dass das Versammlungsgrundrecht für eine freiheitliche Demokratie essentiell ist und ein Minderheitenrecht, scheint Ihnen neu zu sein.

Positiv formuliert, entscheiden Sie daher nicht nach den Grundsätzen des Grundgesetzes, sondern nach der Mehrheitsmeinung. Das kann man machen, sollte dann aber auch so ehrlich sein und nicht von einem Rechtsstaat sprechen, der im Übrigen sogar seinen Gegner*innen, die gleichen Rechte einräumt.

Es ist nicht nur das Geschehen an dem Tag, es ist auch der Umgang damit, der viele Menschen mit einem beklommenen Gefühl zurücklässt. Wir haben danach traumatisierte Jugendliche und Eltern und bei Vielen Wut, die sich mit Entsetzen angesichts ihres Verhaltens paart.

Das Vertrauen in den Rechtsstaat erodiert und Sie nehmen das bereitwillig in Kauf, als Kollateralschaden. Aber da alle Identitätsfeststellungen als Anzeige gewertet werden und Eingang in die polizeiliche Kriminalstatistik finden, haben Sie ausreichend Möglichkeit, die eigene Argumentationsgrundlage zu untermauern. Wen interessieren schon Rechtsstaat oder Grundrechte, wenn es um Politik geht.

Wir müssen Ihnen daher leider mitteilen, stellvertretend für viele weitere Menschen, für Jugendliche und deren Eltern und Dritte, dass wir kein Vertrauen mehr haben. Sie befeuern die Radikalisierung, die sie vorgegeben, zu bekämpfen.

Mit freundlichen Grüßen
Jürgen Kasek, Versammlungsleiter am 3. Juni
Irena Rudolph-Kokot, Vorsitzende Say it Loud e.V. (im Namen des Vereinsvorstandes)

Workshopreihe Versammlungsfreiheit richtig nutzen – auch in Zeiten von Corona

Im Dezember 2020 haben wir eine Workshopreihe mit dem Titel „Versammlungsfreiheit richtig nutzen – auch in Zeiten von Corona“ durchgeführt. Dabei wurden einige Veranstaltungen aufgezeichnet und können nun weiterhin angeschaut werden.

Playlist aller aufgezeichneten Vorträge auf Youtube
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Podcast Versammlungsrechtsrecht in Zeiten von Corona

Im Dezember 2020 haben wir eine Workshopreihe mit dem Titel Versammlungsfreiheit richtig nutzen – auch in Zeiten von Coronadurchgeführt. Dabei wurden einige Veranstaltungen aufgezeichnet und können nun weiterhin angeschaut werden.

Außerdem wurde ein Podcast mit zwei Folgen aufgenommen und die Themen noch zusätzlich zu vertiefen.

„Podcast Versammlungsrechtsrecht in Zeiten von Corona“ weiterlesen

Lecture: Right of assembly without german passport

In December 2020 we held a series of workshops on “Using freedom of assembly properly – even in times of Corona”. We were able to present a lecture by Migrantifa Leipzig on “Right of assembly without a German passport” on December 21, 2020.

Right of assembly without german passport

The workshop will be held in oral German and oral English.

Lecturers: Migrantifa Leipzig

„Lecture: Right of assembly without german passport“ weiterlesen

Vortrag: Versammlungsrecht vs. Coronaverordnungen

Im Dezember 2020 haben wir eine Workshopreihe mit dem Titel “Versammlungsfreiheit richtig nutzen – auch in Zeiten von Corona” durchgeführt. Dabei war für den Montag, den 17.12.2020 ab 19:30 Uhr ein Vortrag zu “Versammlungsrecht vs. Coronaverordnungen” geplant.

Leider musste der Vortrag kurzfristig ausfallen. Wenn ihr aber Interesse an einer Wiederholung habt: Schreibt uns an!

Grundrechte oder Bevölkerungsschutz – was wiegt schwerer? Kritische Auseinandersetzung mit den Eingriffen in unsere Freiheit.

Dozentin: Dr. Vivian Kube von der Gesellschaft für Freiheitsrechte

„Vortrag: Versammlungsrecht vs. Coronaverordnungen“ weiterlesen

Vortrag: Versammlungsanmeldung und Praxis

Am Montag – 14.12.2020 – ab 19:30 Uhr ging die Workshopreihe mit dem Titel Versammlungsfreiheit richtig nutzen – auch in Zeiten von Corona mit einem Vortrag zu “Versammlungsanmeldung und Praxis” in die dritte Runde.

Versammlungsanmeldung und Praxis

Wie melde ich eine Versammlung an? Wie läuft es auf der Demo in der Praxis ab? Was muss ich beachten? An wen kann ich mich wenden? Praktische Tipps.

Dozentin: Irena Rudolph-Kokot und Marco Rietzschel von Leipzig nimmt Platz

„Vortrag: Versammlungsanmeldung und Praxis“ weiterlesen

Vortrag: Einführung ins Versammlungsrecht

Im Dezember 2020 haben wir eine Workshopreihe mit dem Titel “Versammlungsfreiheit richtig nutzen – auch in Zeiten von Corona” durchgeführt. Der zweite Vortrage fand am Mittwoch, den 09.12.2020 ab 19:30 Uhr statt. Thema war eine “Einführung ins Versammlungsrecht”.

Einführung ins Versammlungsrecht

Grundgesetz und Versammlungsgesetz. Wo stehen die wichtigen Dinge? Was stimmt, was nicht? Theoretische Einführung mit praktischen Beispielen.

Dozent: Marcus Röder von Leipzig nimmt Platz

„Vortrag: Einführung ins Versammlungsrecht“ weiterlesen

Bleiberecht Für alle – Leipzig 10.03.20

Am Abend des 10. März 2020 protestierten etwa 100 Menschen in Leipzig gegen die deutsche Asylpolitik und für eine menschenwürdige Aufnahme Geflüchteter. Anlass war die 33. Sammelabschiebung nach Afghanistan, die am 11. März durchgeführt werden soll.

Auf der Demonstration wurden unter anderem Redebeiträge der Leipziger Seebrücke, der Mission Lifeline und von Helfer*innen auf der griechischen Insel Lesvos verlesen.

Wir freuen uns das wir diese spannende und wichtige Veranstaltung tatkräftig unterstützen konnten. Trotzde des schlechten Wetter war die Versammlung ein voller Erfolg.

Mehr dazu findet ihr bei Protest LEJ.

Keine Abschiebungen nach Afghanistan! – Leipzig 26.08.19

Am 26. August 2019 fand in Leipzig eine Kundgebung unter dem Motto “Stop Deportation – Keine Abschiebungen nach Afghanistan!” auf dem Kleinen Willy-Brandt-Platz statt. Anlässlich einer für den 27. August 2019 geplanten Sammelabschiebung rieft die Gruppe “Protest LEJ” zum Stopp der Abschiebungen und zu Solidarität mit den Betroffenen auf.

An der Kundgebung nahmen in etwas 50 Personen teil unter anderem gab es auch einen musikalischen Betrag von DJ Mustafa Bahaduri.
Wir freuen uns das wir die Veranstaltung unterstützen konnten.

Mehr zu der Veranstaltung findet ihr bei Protest LEJ .

„Die Grenze ist das Problem“ – Leipzig 21.November 2017

Am 21.11.17 versammelten sich auf dem kleinen Willy-Brandt-Platz einige Menschen um sich mit den  direkt vom europäische Grenzregime Betroffenen solidarisch auszutauschen.

Bei ziemlich starken Regen wurden Redebeiträge gehalten, und Musik gehört. Beim offenem Mikrofon kamen einige der jungen Geflüchtete aus den verschiedenen nordafrikanischen Ländern zu Wort und berichteten von ihrer Lage und dem Umgang mit dem Leben in der Illegalität.

Anschließend wurde das Thema durch eine Theater-Performance künstlerisch aufgearbeitet.

Wir freuen uns das wir diese wichtige Veranstaltung unterstützen konnten.

Der Flyer der Veranstaltung:

Am Dienstag, den 21. November, wollen wir mit einer Kundgebung auf die
Auswirkungen des europäischen Grenzregimes auf die Gesellschaften in
verschiedenen afrikanischen Ländern und hier in Deutschland aufmerksam
machen. "Wir", das sind auch junge Menschen aus Kamerun, Gambia,
Marokko, Tunesien und anderen Ländern, denen ein Bleiberecht
systematisch abgesprochen wird.

Vor rund 30 Jahren haben Menschen in Leipzig protestiert – für den Fall
der Mauer und offene Grenzen. Heute verläuft eine stark bewachte Grenze
um Europa herum - die Gewalt, die von diesem Natodraht verursacht wird,
ist längst auch innerhalb der europäischen Gesellschaften spürbar.

Die Kriminalisierung beginnt, wenn wir nachts im Dunkeln unsere Heimat
verlassen, um auf die andere Seite des Mittelmeers zu kommen. Entgegen
unserer Träume und Vorstellungen erwarten uns dort Illegalität und
Diskriminierung. Wir sind von Abschiebung bedroht und haben keine
Möglichkeit, ein legales Arbeitsverhältnis einzugehen, obwohl viele von
uns eine Ausbildung oder  ein Studium haben. Dies führt zu einer sehr
prekären Situation und einer extremen Perspektivlosigkeit.
   
In der Illegalität ist unser Alltag geprägt von Überlebenskämpfen,
Gewalt und Konfrontation mit der Polizei bis hin zu Inhaftierungen. Auch radikale Ideologien profitieren genau von dieser verzweifelten und
wütenden Atmosphäre.
 
Diese Situation war nicht schon immer so. Bevor die Grenzen Europas
dicht gemacht wurden, gab es Bewegung zwischen den Kontinenten. Diese
Bewegungsfreiheit symbolisierten auch die Fähren, die täglich zwischen
Tunis und Palermo fuhren und nicht nur von Tourist*innen aus Europa,
sondern auch von Menschen aus afrikanischen Ländern genutzt wurden. 

Uns eine Perspektive zu geben, ist ein wichtiger Schritt hin zu einer
friedlicheren und solidarischeren globalen Gesellschaft. Die Öffnung der Grenzen und das Recht auf Bewegungsfreiheit für alle wirkt nicht nur Konflikten, Hass und Gewalt entgegen, sondern ist auch wichtig für die Entwicklung unserer Länder! Eine offene Grenze heißt Hin und Zurück!
Kein Mensch ist illegal! Für ein allgemeines Recht auf Migration!

Wir laden euch ein, mit uns zu reflektieren und zu demonstrieren – mit
Musik, Performance, offenen Mikrophonen und Gesprächen.

21. November 2017 // 16:00 // Im Park gegenüber vom Hauptbahnhof Leipzig
 
Initiiert von
Menschen, die auf unterschiedlichen Seiten des europäischen Grenzzauns
geboren sind und heute gemeinsam in Leipzig leben. In Kooperation mit
Afrique-Europe-Interact.

Bildquelle: @Volk11elf